Homeschooling und meine rosarote Brille

Homeschooling und meine rosarote Brille


Wie viele Jahre habe ich davon geträumt, mit meinen Kindern Homeschooling zu machen. Neidvoll auf all die Länder geschaut, in denen dies ohne Einschränkungen möglich ist. Reportagen verschlungen, in denen Familien Weltreisen machen und ihre Kinder unterwegs unterrichten. 

Weltreise und Homeschooling 


Entspannt seinen Kindern den Lernstoff fürs Leben zu vermitteln. Ganz ohne Druck und Stress, mit viel Freude am Lernen. Ich als Bloggerin und Autorin könnte auch von unterwegs arbeiten, digitale Nomaden mit Kindern gibt es zu Tausenden. Die Welt als Schule des Lebens…herrlich! 

 

Die Welt als Schule des Lebens


Da mein Mann aber einen festen und sicheren Arbeitsplatz hat und seine Arbeit sehr mag, würde aus meinem Traum von einer Weltreise mit Homeschooling nichts werden!

Um die Sehnsucht nicht allzu groß werden zu lassen, reisen wir so viel wie möglich und haben die Waldorfschule als alternative Schulform für uns gewählt. Damit sind wir glücklich, auch wenn bei mir immer mal wieder der Wunsch nach "dem Ausreißen" aufkam. Bis jetzt! 

Corona und Homeschooling 

Corona hat uns nun zum Homeschooling gezwungen! Alle, die jemals davon geträumt haben es zu machen, haben nun die Chance dazu! Ich kenne viele, die so manches Mal auf unser Schulsystem schimpfen! Nicht nur auf die staatlichen Schulen, auch auf die Waldorfschulen.

Unsere Waldorfschule, mit ihren engagierten Lehrern, zauberhaften Konzerten, tollen Theaterstücken, Basaren, mit ihren vielen AGs von Imkern und Einrad bis zum Zirkus, Projekten in den Gärten und auf den Bauernhöfen, eigenen Bienenstöcken, einer eigenen Schmiede, Eurythmie und Computerunterricht. Mit zwei Fremdsprachen ab der ersten Klasse. Mit Werken, Kunst, verschiedenen Religionen neben all den klassischen Fächern, die es auch an staatlichen Schulen gibt. 

Die rosarote Brille des Homeschoolings 


Trotz dieser tollen Schule, auf die ich selbst gerne gegangen wäre, träumte auch ich immer wieder davon, was wäre wenn. Denn meine rosarote Brille des Homeschoolings war groß. 

Nun machen wir den dritten Tag zu Hause Unterricht. Von der Schule kam eine größere Aufgabe. Zusätzlich habe ich für mehrere Tage Material herausgesucht. Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch für die vierte Klasse. Wir müssten es wahrscheinlich gar nicht. Aber im Moment weiß keiner, wie lange die Kinder nicht in die Schule gehen können und meiner Tochter tut es gut, täglich ein paar Aufgaben zu bekommen. 


Homeschooling Ideen boomen


Im Internet wimmelt es plötzlich von Homeschooling Ideen, Apps und Möglichkeiten und ich als Mutter merke nun, wie es wirklich ist, sein Kind selbst zu Hause zu unterrichten. Und schon nach dieser Zeit kann ich für uns klar sagen! Homeschooling auf Weltreise und im Paradies? Zwischen Strand, Palmen und Meer, klappt nicht! Zumindest nicht mit dem Anspruch, was meine Kinder lernen sollen. 

Disziplin beim Homeschooling 


Erfolgreiches Homeschooling erfordert von allen in der Familie viel Disziplin und Struktur! Von den Kindern und auch von den Eltern. Jeden Morgen ausschlafen, frühstücken, erst spielen und dann irgendwann mit dem Unterricht anfangen, das kann nichts werden. Aber die Kinder (und sich selbst) zu Hause oder sogar auf Reisen dazu zu motivieren, jeden Morgen und Vormittag ein paar Stunden Homeschooling zu machen, ist sicherlich sehr schwer. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, das regelmäßig ein oder sogar beide Augen zugedrückt werden und doch anderes Priorität hat. Vielleicht ist dies bei Grundschulkindern nicht so schlimm, sagen nun einige. Aber ich denke, wenn man gleich am Anfang den Anschluss verpasst, ist es schwierig dies später, wenn auch der Unterricht schwieriger wird, wieder nachzuholen. 

Räumliche Möglichkeiten & Material beim Homeschooling 


Seitdem wir nun das Homeschooling machen weiß ich, ich bräuchte einen eigenen Raum, um effektiv Unterrichten zu können, so wie es mir gefällt. Seinem Kind ein Tablet in die Hand zu geben, auf zig verschiedene Apps oder Arbeitsblätter zurückzugreifen, ist für mich nicht das Lernen, das ich mir wünsche. 

Ich bräuchte einen großen Tisch, an dem wir alle zusammen sitzen. Nicht der Esstisch, einen, der nur zum Unterrichten ist und wo auch mal etwas liegenbleiben kann. 

Eine Tafel, Regale mit Büchern und Materialien, einen Globus, Gläser mit Steinen, Muscheln und anderen Schätzen aus der Natur. Ich bräuchte Bastel-, Werk- und Malutensilien, um kreativ ein ganzheitliches Lernen vermitteln zu können. Ich habe gemerkt, das Unterrichten auf Reisen, von dem ich die ganze Zeit geträumt habe, würde für mich schon an diesen Dingen scheitern.



Ganzheitliches Lernen beim Homeschooling


Lernen besteht für mich nicht nur aus den Grundfächern Lesen, Schreiben und Rechnen. Lernen ist für mich ganzheitlich und auch die Nebenfächer wie Kunst, Musik, Sport und Werken, haben für mich den gleichen Stellenwert und die gleiche Wichtigkeit. Hierzu habe ich auch schon mal einen Blogpost zum Thema "Lernen als ganzheitliches Erlebnis" geschrieben. Ich weiß nun jedoch, dass ich nicht alle Fächer gleich gut unterrichten könnte. Und vor allem, da ist es wieder, nicht auf Reisen.

Woran ich kläglich scheitern würde, wäre der Musikunterricht! Ich habe zwar selbst lange Flöte, Altflöte und einige Jahre Klavierunterricht bekommen. Aber niemals könnte ich es selbst vermitteln. Ich könnte mit meinen Kindern singen, wie ich es als Mutter tue. Und musizieren wie ich es als Mutter tue. Aber eine Musiklehrerin könnte ich nie ersetzen. 

Auch im Handarbeiten und Werkunterricht könnte ich einiges mit meinen Kindern machen. Aber noch längst nicht alles! Genauso müsste ich mich in alle Fächer erst einmal wieder einarbeiten. Denn, das was wir vor 20 Jahren in der Schule hatten, ist längst vergessen.

Alltag neben dem Homeschooling 


Als berufstätige Mama von drei Kindern ist es schon eine Herausforderung den Alltag zu wuppen. Vieles mache ich, während meine Kinder im Kindergarten und in der Schule sind. Den Haushalt, Einkaufen, Kochen und auch Arbeiten, während der Kleinste schläft und am Abend. 

Die Kinder immer zu Hause


Aber was mache ich mit all diesen Aufgaben, wenn ich die Kinder immer zu Hause habe? Und für ihre Bildung verantwortlich bin? Natürlich könnte man auch aus dem Wäsche waschen, dem Einkaufen, Kochen und Backen einen Unterricht machen. Rechnen, Schreiben, Warenkunde, alles enthalten. Da wären wir nur wieder bei der Disziplin, dies auch wirklich immer so umzusetzen.

Ich denke, gutes Homeschooling bestimmt das Leben 

Ich bin mir sicher, als Homeschooling Mum macht man nichts anderes mehr. Denn irgendwann muss man den Unterricht ja auch noch planen und vorbereiten. Er braucht eine gute Struktur. Das wird am Nachmittag oder Abend sein, dann wenn man vielleicht mal Zeit für etwas Anderes braucht oder für sich selbst. Und was wäre mit meiner Arbeit? 

Kleine Geschwister beim Homeschooling


Und wie macht man das Homeschooling, wenn man noch kleine Kinder hat, die gerne auf Mamas Arm sind, die ganze Zeit spielen wollen, eigentlich Mamas volle Aufmerksamkeit brauchen oder mal krank sind, zahnen oder fiebern und es schaffen, dass so gar keine Lernatmosphäre für die älteren Kinder eintritt? 


Soziale Kontakte beim Homeschooling 


Schule ist nicht nur lernen, es sind auch täglich Unmengen an sozialen Kontakten. Zu den verschiedenen Lehrern und zu anderen Kindern. Sich austauschen, miteinander lachen, lernen, in den Pausen spielen und zusammen Spaß haben. Konflikte erleben und gemeinsam austragen. Der Umgang mit Stress und Ängsten, bei Klassenarbeiten, Auftritten, Prüfungen. Der Stolz und das Glücksgefühl, etwas geschafft zu haben. Und wie schön war doch damals die Einschulung meiner Tochter! Und wie sehr freue ich mich auf die Einschulung meines Sohnes! Wie vieles davon findet beim Homeschooling nicht statt! 

Realität des Homeschoolings

 

Wie oft habe ich ich auf Instagram schon Bilder vom Homeschooling gesehen. Und auf YouTube Videos! Natürlich immer so, dass ich neidisch darauf geblickt habe. Harmonische Bilder und Filme, die nach traumhaftem Unterricht zu Hause oder Unterwegs aussahen. Ich hätte es so gerne gemacht, besonders auf Reisen! 

Homeschooling auf Reisen 


Einmal habe ich ein Video gesehen, wie eine Familie, die ein Jahr mit einem Grundschulkind auf Weltreise ist, zwei Lernhefte dabei hat. Deutsch und Mathematik. Das Kind schrieb ein paar Buchstaben. Die Eltern sagten ganz stolz, sie kann schreiben, lesen und rechnen. Mehr braucht man ja nicht im Leben! Auf die Frage des Reporters, ob sie regelmäßig mit ihr üben, antworteten die Eltern, wenn es gerade passt. Ich habe mir beim Anschauen gedacht, was für eine tolle lockere Einstellung. Aber nun denke ich, wann passt auf Reisen das Lernen und Unterrichten? So gut wie nie, oder? 

Die Chance auf Homeschooling 

Unsere aktuelle Situation mit den Schließungen der Schulen durch den Corona Virus, hat mir die Chance gegeben, nicht nur vom Homeschooling zu träumen, sondern es auch durchzuführen. Zu sehen, wo sind meine Stärken und Schwächen als „Lehrerin“. Wie geht mein Kind damit um, mich als Lehrerin zu haben. Wie ändert sich plötzlich unser Alltag? Und auf was muss ich selbst alles verzichten. Zum Beispiel könnte ich nicht mehr Arbeiten, auch nicht im Homeoffice. Das sehe ich als völlig unrealistisch, wenn ich mein Kind so Unterrichten wollen würde, wie es in der Schule passiert. Denn während ich gerade diesen Text schreibe, müsste ich eigentlich ihren Lernstoff für morgen vorbereiten. 

Meine Sicht auf das Homeschooling hat sich verändert


Ich müsste mich den ganzen Tag mit den verschiedenen Themen beschäftigen, jahrelang. Mir neue Lerninhalte ausdenken, Materialien zusammensuchen und es dem jeweiligen Alter der Kinder anpassen. Dazu den Alltag als Familie nebenbei managen. 

Digitale Nomaden und Homeschooling 


Und wenn wir auf Reisen wären, als digitale Nomaden und gutes Homeschooling von unterwegs machen würden. Dann denke ich mittlerweile, könnten wir auch gleich zu Hause bleiben, weil für nichts anderes mehr Zeit bleiben würde, als fürs Arbeiten und Unterrichten. 

Homeschooling ist sicherlich möglich

Versteht mich bitte nicht falsch! Ich denke, es gibt Eltern, die das Homeschooling sehr gut umsetzen. Egal ob von zu Hause oder auf Reisen. Die es mit viel Disziplin, Wissen, Struktur und Engagement schaffen, mit ihren Kindern regelmäßig guten Unterricht zu machen. Und wo die Kinder vielleicht sogar Dinge lernen, die es bei uns in Deutschland gar nicht gibt. Zum Beispiel bei Pflanzen und Tieren.

Aber mir wurde durch die aktuelle Situation die rosarote Brille abgenommen, was zum Homeschooling wirklich alles dazugehört, was ich alles entbehren müsste und was meinen Kindern entgehen würde. Und ich träume weiterhin vom Reisen mit meiner Familie. Aber ich bin auch sehr froh und dankbar, wenn unsere Schule bald wieder öffnet.

Alles Liebe, 



Herzlich Willkommen bei Zuckersüße Äpfel, dem kreativen Familien- und Reiseblog. Hier wird gebastelt und gewerkelt, gehäkelt, gekocht und gebacken, gelesen, gespielt und gereist. Dazu gibt es immer wieder schönes und nachdenkliches aus dem Alltag als Mama von drei Kindern und meine internationale Interviewreihe "Mamasein in ...". Ihr könnt mir auch per Newsletter, Facebook, Instagram oder Pinterest folgen.  Authentisch und liebevoll, so wie wir sind, nehmen wir Euch mit in unsere bunte Welt.


Kennt Ihr schon meine Bücher? Frühling, Sommer, Äpfel, Winter Das kreativ-köstliche Jahreszeitenbuch (Partnerlink) enthält viele kreative und leckere Ideen für die ganze Familie rund um die vier Jahreszeiten.

Und mein neues Buch Feste feiern mit Kindern (Partnerlink) enthält viele tolle Bastel,- Werk-, Dekoideen und leckere Rezepte für wunderschöne Feste aller Art. 


  1. Hey

    ein guter Post.

    Wir machen Homeschooling und es passt für uns. Doch sehr oft ist es eine grosse Herausforderung. Vorallem für mich.
    Ich glaube durch das Homeschooling habe vorallem ich sehr viel über mich selbst gelernt. Meine Kinder lernen auch. Jeder anders, jeder in seinem Tempo und nicht immer so wie ich es mir wünsche.
    Und ich lerne. Was sehr anstrengend sein kann.

    Ich unterrichte nicht den ganzen Tag, da für mich das Spiel ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts ist. Doch für mich ist es wichtig, dass meine Kinder Übung haben im Rechnen, Schreiben und Lesen. Und ab dem Sommer, wenn Englisch dazu kommt, auch damit.

    Wir sind hier gelandet, weil mein Ältester nicht ins Schulsystem passt. Zu kurze Aufmerksamkeisspanne zu viel Bewegungsimpuls. Er konnte sich gut anpassen, doch der Frust und die Energie explodierte Abends zu Hause, was irgendwann nicht mehr ging.
    Sogar die Ärztin hatte Angst, dass mein Kind eine psychische Krankheit entwickelt. Deshalb sind wir HOmeschooler und nun aus überzeugung auch mit den beiden Jüngeren Kindern.

    Ich glaube das Leben hat nicht den Sinn einfach zu sein. Sondern das wir Lernen und dies kann auf die verschiedenste Weise stattfinden.
    Momentan indem alle Kinder zu Hause sind.
    Ich denke es finden viele Lernprozesse (wie dein beschriebener) statt, die nicht nur etwas mit dem Schulstoff zu tun haben.

    Ich wünsche dir gutes Gelingen für die nächsten Wochen.
    Wir freuen uns auch, wenn wir wieder an unsere Exkursionen, Treffen und Lerngruppen können. So isoliert wie jetzt, sind wir sonst nicht. Ebenso wie alle anderen Familien.

    Liebe Grüsse Eva

    AntwortenLöschen
  2. Ich hab meinen Sohn auch mal ein Jahr selber unterrichtet, weil wir das in Ägypten verbracht haben. Er war damals erst 7, es war also die 2. Klasse und noch nicht besonders anspruchsvoll, und ich habe es gar nicht als stressig empfunden, ganz im Gegenteil. Tagsüber waren wir am Strand, abends dann essen gehen, danach etwas lernen und dann noch spazieren gehen oder etwas bummeln.

    Bereits im April hatten wir den Stoff durch, bei nur etwa einer Stunde täglich! =) Die Prüfung am Ende des Schuljahres hier in Österreich hat er dann auch bestanden und kam im folgenden Jahr ganz normal in die 3. Klasse.
    Natürlich haben wir uns beim Lernen am Abend auf Rechnen, Schreiben und Lesen beschränkt, all die anderen Sachen, die es in diesem Jahr in einer so anderen Kultur zu entdecken gab, waren gar nicht als "Lernen" empfunden, das war einfach das "Leben" =))

    LG Sandra

    AntwortenLöschen
  3. Monika & Thomas12. Juni 2023 um 15:53

    Liebe Tanja
    Vielen Dank für deine spannenden Gedanken zum Thema Homeschooling. Wir sind aus der Schweiz und haben 4 Kinder, die wir zuhause beschulen (bei uns ist das erlaubt). Anfangs Corona-Zeit waren unsere Kinder noch in der Regelschule. So haben wir auch da den Heimunterricht erlebt. Zum Glück hat beides so gar nichts miteinander zu tun: Denn während Corona bekamen unsere Kinder lange Listen von schulischen Aufträgen: Arbeitsblätter, Hefte, Projekte, Aufsätze etc. Die Kinder waren stundenlang beschäftigt, und haben doch nicht viel gelernt.
    Im Homeschooling ist das anders: Hier lernen die Kinder in viel weniger Zeit viel mehr. Du hast recht: Etwas Struktur hilft, zumindest uns. Gleichwohl haben die Kinder viele Freiräume - für eigenen Projekte, für Hobbys, für Lernen, dann wenn es ihnen danach ist. Wir unterstützen sie, dort wo sie es brauchen. Andere Aufträge können sie allein bearbeiten - und trainieren ihre Selbständigkeit. Für uns bringt das Homeschooling viel Entspannung in den Familien-/Schulalltag. Alles ist flexibler und darf heute sein - aber auch morgen.
    Herzliche Grüße, Monika & Thomas

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo liebe Monika und Thomas, vielen Dank für den Einblick in Euren Alltag mit Homeschooling. Ganz liebe Grüße in die Schweiz, Tanja

      Löschen

♥ Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein paar Worte nimmst. Ich freue mich sehr darüber. ♥ Meine Datenschutzerklärung (DSGVO) findest Du in der oberen Leiste ♥



Whatsapp Button works on Mobile Device only

Wonach suchst du ?