Wenn Kinder plötzlich groß sind

Wenn Kinder plötzlich groß sind

Vor kurzem erzählte uns ein Freund, dass ihm bei der Schulabschlussfeier seines Kindes so richtig bewusst wurde, dass sein Kind nun seinen eigenen Weg gehen wird und das Zuhause sich dadurch verändern wird. Man sieht innerlich die vergangene Zeit, viele schöne Momente und denkt sich, wie schnell ist doch die Zeit vergangen! Nicht nur für die jungen Erwachsenen beginnt ein neuer Lebensabschnitt!


Wenn Kinder ausziehen


Auch als Vater und Mutter muss man sich wieder neu finden. Wieder überlegen, wer bin ich eigentlich und was wünsche ICH mir für MEINE Zukunft! Und auch als Paar ist es ganz anders, mit oder ohne Kinder zusammenzuleben. Hat man noch gemeinsame Interessen? Hat man noch gemeinsame Themen miteinander? Und ist die Liebe in all den Jahren der Elternschaft erhalten geblieben?

Wer bin ich, wenn meine Kinder aus dem Haus sind?


Aber, nicht nur als Paar kommen diese Fragen! Eine alleinerziehende Lehrerin unserer Schule hat nach dem Auszug ihres vierten und letzten Kindes einen großen Schritt getan! Um sich selbst wiederzufinden und sich ganz bewusst mit sich selbst auseinanderzusetzen, hat sie ein Sabbatical gemacht und ist für ein ganzes Jahr alleine nach Indien gegangen. Was für ein mutiger Schritt nach Jahren voller Verwantwortung und Leben für vier Kinder.
 

Wenn Kinder früh ausziehen


Eine alleinerziehende Bekannte erzählte mir, dass sie am Anfang erschüttert war, weil ihr Kind recht früh ausgezogen ist. Sie hat sich Vorwürfe gemacht, dass sie schuld sei, weil ihr Kind sich anscheinend Zuhause nicht mehr wohlgefühlt hat.

 

Erst nach einigen Monaten spürte sie, dass es nicht daran lag. Sie hatte ihr Kind von Anfang an zur Selbständigkeit erzogen. Zum Mut, hinaus in die Welt zu gehen, diese kennenzulernen und zu entdecken. Und genau dies tat ihr Kind jetzt! 

 

All das, was es immer vermittelt bekommen hatte, setzte es um. Nicht aus dem Bedürfnis heraus, ich will weg von Mama! Sondern aus dem Wunsch heraus, ich möchte selbstständig sein und leben, denn dazu wurde ich erzogen.

 

  Denn die Bindung zur Mutter blieb weiterhin bestehen. Zwar in anderer Form, aber so manches Mal intensiver, als vorher. Als die Erkenntnis kam, den frühen Auszug nicht negativ zu sehen, sondern als positiven Effekt ihrer Erziehung, denn sie hatte sich immer ein selbstständiges, offenes und mutiges Kind gewünscht, konnte sie den frühen Auszug annehmen und sich ihrem eigenen Leben wieder mehr widmen.


Warum will mein Kind ausziehen?


Ich selbst bin mit 22 Jahren relativ spät von Zuhause ausgezogen. Dies hing sicherlich damit zusammen, dass ich das dritte und letzte Kind in unserer Familie war und meiner Mutter der Auszug ihres Nesthäkchens sehr schwerfiel. Dazu muss ein Auszug ja auch finanzierbar sein und da ich erst zwei Ausbildungen und dann noch ein Studium gemacht hatte, fehlte es mir auch einfach am Geld für eine eigene Wohnung.


Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Ausziehen?

 

Während des Studiums bekam ich aber nicht nur Bafög, sondern konnte nebenher in verschiedenen Bereichen arbeiten, so dass auch eine kleine Wohnung möglich wurde. Für meine Mutter war dies ein schwerer Schritt und lange Zeit konnte sie mich nicht einmal in meiner Wohnung besuchen. Das habe ich ihr sehr übel genommen, denn es machte mir Schuldgefühle, für die ich eigentlich nicht verantwortlich war. Denn, Kinder sind nicht dafür verantwortlich, dass es ihren Eltern gutgeht! Nun als Mutter weiß ich, wir müssen uns selbst um uns kümmern! Auch und vor allem dann, wenn unsere Kinder groß werden.


Wie schaffe ich es, wieder ICH selbst zu sein, wenn meine Kinder groß werden

 

Viele Eltern und insbesondere wir Mütter, richten Jahrzehntelang unser Leben nach unseren Kindern aus. Bis zu einem gewissen Alter der Kinder ist unser kompletter Alltag fremdbestimmt und beeinflusst unser tägliches Handeln und Denken. Werden Kinder nun selbstständiger, machen ihren Schulabschluss, beginnen eine Ausbildung, ein Studium oder ziehen von Zuhause aus, entsteht erst einmal eine große Lücke. 

 

Zwar ist uns jahrelang bewusst, dass dieser Moment kommen wird und je älter die Kinder werden, umso mehr nabeln sie sich ja auch schon ab. Und trotzdem ist dieser Moment der Erkenntnis, dass jetzt auch für einen selbst ein neuer Lebensabschnitt beginnt, oft erst einmal ein Schock!


Was bleibt, wenn Kinder groß werden?


Tatsächlich gibt es für diesen Moment, nachdem die Kinder ausgezogen sind, sogar einen Fachbegriff, das „Empty-Nest-Syndrom“. Also das leere Nest, das zurückbleibt. Gespräche und Gedanken drehen sich plötzlich nicht mehr nur um die Kinder. Man hat die Verantwortung für sie weitestgehend in ihre eigenen Hände gegeben und hofft einfach, dass alles, was man ihnen mitgegeben hat, sie für das „alleinige“ Leben bereit machen.


Das Empty-Nest-Syndrom


Egal, ob Vater oder Mutter, in dieser Lebensphase entwickeln sich oft starke Gefühle von Einsamkeit, Trauer und Verlustängsten. Bei Eltern kann es zu Angst- oder Panikattacken, zu verschiedenen psychosomatischen Beschwerden und Schlafstörungen kommen. Oftmals vergehen sie nach einer gewissen Zeit und man gewöhnt sich an die neue Situation. Aber, wenn es länger andauert und vielleicht sogar in eine Depression oder in eine Sucht {wie beispielsweise ein erhöhter Alkoholkonsum} gleitet, sollte man sich dringend professionelle Hilfe und Unterstützung holen, um in sein eigenes Leben ohne die Kinder zurückzufinden.



Was kann ich tun, wenn meine Kinder ausgezogen sind?


Wichtig in dieser neuen Lebensphase ist es, dass man sich als Person und als Eltern wieder neu findet. Denn vor allem Mütter und Väter, die wenig Hobbys und Interessen haben oder keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen, trifft dieser neue Teil ihres Lebens besonders stark.


Man sollte sich alleine und als Elternpaar überlegen, wie man seine neu gewonnene Zeit nun nutzen möchte. Was gibt es für Dinge, die man schon immer mal machen wollte? Welche Freundschaften würde ich gerne wieder aufleben lassen oder mehr pflegen? Welche Kurse, Workshops, Unternehmungen und Reisen kann ich alleine oder mit meinem Partner zusammen machen? Möchte ich mich beruflich noch mal neu orientieren oder habe ich Lust ein Ehrenamt zu machen? Was kann ich mir jetzt leisten, was mit Kindern damals nicht möglich war?


Man muss einfach erkennen, wie viel Potenzial in diesem neuen Lebensabschnitt liegt und diesen mit positiven neuen Dingen füllen.


Emotionen sind wichtig!


Das heißt natürlich nicht, sich jetzt, die Tage komplett vollzumachen, damit man nicht mehr an das Kind oder die Kinder denken muss. Verdrängung ist nie gut und die Emotionen in dieser Zeit sollten wahrgenommen, angenommen und auch gelebt werden. Jedoch sollten sie nicht überhand und die Kontrolle über das eigene Leben nehmen.

 

Wie gelingt der Auszug von Zuhause?


Ein wichtiger Punkt für die gemeinsame Bewältigung dieser neuen Lebensphase ist es, den Auszug gemeinsam zu planen und umzusetzen. Nicht nur den jungen Erwachsenen hilft es oftmals sehr, in dieser neuen Phase ihres Lebens begleitet zu werden. Sondern auch emotional ist es für alle schöner und stärkend. 

 

Das heißt, gemeinsam die finanziellen Mittel durchzurechnen. Sich gemeinsam auf die Suche nach der ersten WG oder Wohnung zu machen und natürlich den Aus- und Umzug tatkräftig zu unterstützen. Oftmals müssen neue Möbel und die Erstausstattung gekauft oder die neue Wohnung vielleicht noch renoviert werden. Als Eltern sollte man die jungen Erwachsenen fragen, ob man sie dabei begleiten und unterstützen darf und dies dann auch ggf. tatkräftig tun. Wichtig ist es jedoch, dabei nicht zu bevormunden, sondern beratend zur Seite zu stehen.


Die Bindung zwischen seinen Kindern halten


Mein Vater hat mir damals nicht nur bei der Renovierung meiner ersten Wohnung geholfen, sondern auch meine allererste Couch gekauft. Ich wünschte sie mir sehnlichst und sie war eigentlich viel zu teuer gewesen. Aber, er tat es, wir brachten sie gemeinsam in die neue Wohnung und ich hatte sie 22 Jahre lang immer in unseren Wohnzimmern.


Die gemeinsame Planung und den Umzug gibt auch bei Eltern den positiven Effekt, dass sie in dieser Zeit sehen, ihr Kind schafft es nun auch ohne sie und ist gut aufgehoben. Man kann die Verantwortung mit einem guten Gefühl immer weiter loslassen.


Wie schaffe ich es, eine Bindung zu meinem Kind zu behalten?


Und es ist wichtig, sich klarzumachen, dass Kind ist nicht Tot! Es ist nicht für immer weg! Denn viele Eltern, die aus dem „Empty-Nest–Syndrom“ nur schwer oder gar nicht wieder herausfinden, empfinden genau dies. Daher ist es wichtig, auch nach dem Auszug die Bindung zum Kind zu behalten.
Bindung zu Kindern nach dem Auszug erhalten


Soziologisch gesehen ist eine gute Eltern-Kind-Bindung in den ersten Lebensjahren der Kindheit entstanden. Hat man diese versäumt, lässt sie sich auch nach dem Auszug des Kindes natürlich nicht plötzlich herbeizaubern. Dann hat man dies mit großer Wahrscheinlichkeit schon die Kindheit und Jugend hindurch gemerkt und es überrascht einen als Eltern vielleicht auch nicht mehr so sehr, wenn der Kontakt nach einem Auszug abbricht.


Oftmals ist es aber auch so, dass junge Menschen viel beschäftigt sind und vielleicht auch erst einmal Abstand vom Elternhaus nehmen möchten, um die eigene Selbstständigkeit zu stärken. Das anzunehmen ist sicherlich sehr schwer, jedoch sollte man sich als Eltern dann nicht zu sehr aufdrängen. Es würde genau den gegenteiligen Effekt bewirken. 

 

 Den Kindern in diesem Fall zu vermitteln:

 

1) Wir sind immer für Dich da, wenn etwas ist!


2) Die Tür ist immer für Dich offen!


3) Du kannst immer in Dein Zuhause zurückkommen, wenn Du es brauchst!


4) Du kannst uns Tag und Nacht erreichen, wenn etwas ist!

 

ist oftmals der richtige Weg, um den Kontakt nicht ganz zu verlieren.


Das Schönste ist es natürlich, wenn man als Eltern weiterhin regelmäßigen Kontakt zu seinen Kindern hat, sie immer wieder sieht und an ihrem Leben teilhaben kann. Aber wie schafft man dies? Ich habe zwei Mütter gefragt, bei denen es so ist und mir ein paar Tipps geholt.


Ideen, um die Bindung nach dem Auszug zu erhalten

 

Weiterhin gemeinsame Erlebnisse außerhalb von Zuhause haben {Konzerte, Kino, Theaterbesuche, Restaurantbesuche, Spaziergänge, Picknicks, Feste zusammen besuchen {Stadtfest usw.}….}.

 

Weiterhin gemeinsame Erlebnisse im alten Zuhause haben {Grillen, Pizza backen, Spielabend, Feste zusammen feiern {Geburtstage und Weihnachten}…}.

 

Die Lebensplanung des Kindes unterstützen, auch wenn sie nicht den eigenen Vorstellungen entspricht.

 

FreundInnen und PartnerInnen des Kindes kennenlernen.

 

Das Kind im neuen Zuhause besuchen, das neue Lebensumfeld kennenlernen usw.

 

Interesse am Leben des Kindes haben {Wie läuft es in der WG, Wohnung, Ausbildung, Studium, mit dem PartnerIn….}.

 

Bei Problemen immer AnsprechpartnerIn sein und keine Vorwürfe machen 

 

Wenn möglich, einmal im Jahr mit den Kindern einen gemeinsamen Urlaub machen, den die Eltern bezahlen oder bei dem die Eltern vorher vereinbarte Kosten übernehmen {Kurzurlaub, Aktivurlaub, Wellnessurlaub, Reiseziele aus der Kindheit…}. 

 

Kann sein, dass einige von Euch nun denken, dazu haben Kinder, die ausgezogen sind, keine Lust mehr. Aber, ich kenne drei Familien, die es machen und bei denen auch die „Kinder“ immer noch gerne mitkommen und die {Urlaubs}Zeit mit ihren Eltern genießen.


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